Wer zahlt für Innovation – und was kommt dabei raus?
- Yetvart Artinyan
- vor 3 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 11 Stunden

Die gleichen Führungskräfte, die öffentlich Innovationen feiern, bauen sie hinter verschlossenen Türen oft wieder ab. In jeder Strategie und Bilanzpräsentation wird Innovation betont – doch unter finanziellem Druck werden Innovationsteams still gestrichen, marginalisiert oder ins Tagesgeschäft eingegliedert. Warum? Weil sie selten zur Logik des Kerngeschäfts passen.
Dieser Text basiert auf einem Gespräch mit einer geschätzten Kollegin und beleuchtet ein wiederkehrendes Dilemma: Wer soll Innovation finanzieren – und welche Art von Rendite ist realistisch, messbar und einforderbar?
Worum geht’s konkret?
Welche Innovationsarten sind gemeint?
Welche Mandate ergeben sich aus verschiedenen Organisationsmodellen?
Welche Formen von „Return“ sind zu erwarten – und wann?
Die Herausforderung ist nicht struktureller, sondern strategischer und konzeptioneller Natur. Und sie beginnt mit Klarheit.
Der Geltungsbereich: Alle Innovationsarten, nicht nur Moonshots
Es geht nicht um Corporate Venture Capital, M&A oder klassische F&E. Der Fokus liegt auf inkrementeller, angrenzender und transformativer Innovation – über alle Geschäftsbereiche hinweg. Also alles, was an Veränderungen aktuell geschieht und geschehen wird, da sich keine Firmen einen Stillstand leisten kann.
Von kontinuierlichen Verbesserungen über neue Produktfeatures bis hin zu völlig neuen Geschäftsmodellen unterscheiden sich Innovationsarten nach:
Zeithorizont
Risikobereitschaft
Ressourcenmodell
Lern-Geschwindigkeit
Trotzdem wenden Unternehmen oft dieselben KPIs an – meist rein finanzielle, rückblickende. Das ist nicht nur falsch, sondern schädlich.
Drei Hauptmodelle – und ihre Konsequenzen
1. Im Kerngeschäft verankert
Innovation wird operativ verortet – z. B. in P&Ls oder Business Units. Das bringt Nähe zum Kunden und Ressourcen, aber auch:
Tägliche Prioritäten verdrängen Innovationsarbeit
Risikobereitschaft ist gering
Fokus liegt auf Optimierung, nicht Transformation
Strategische Ideen überleben selten die operative Realität
2. Vollständig eigenständig
Labs, Hubs, Inkubatoren etc. agieren unabhängig – oft mit direkter Anbindung an den Vorstand. Vorteil: konzeptionelle Freiheit. Nachteil:
Geringe Legitimität im Kerngeschäft
Übergaben sind fragil oder gar nicht vorgesehen
Bei Budgetdruck oft als erstes in Frage gestellt
3. Hybride Modelle mit C-Level-Anbindung
Ziel: strategische Nähe bei struktureller Autonomie. In der Theorie ideal. In der Praxis:
Ohne geschütztes Budget und klare KPIs verlieren solche Einheiten den Fokus
Zu weit vom Markt, um Wirkung zu erzielen
Zu weit vom Core, um Entscheidungen zu beeinflussen
Die eigentliche Frage: Wer zahlt – und wofür?
Innovation scheitert selten an Ideen, sondern an einem fehlenden internen Vertrag. Die implizite Annahme: „Das zahlt sich irgendwann aus“ – ein gefährliches Versprechen, das bei kurzfristigem Kostendruck leicht gekippt wird.
Typische Spannungen:

Wir identifizieren systematisch Einsparpotenziale – aber die operative Leitung blockiert die Umsetzung. Wir werden an Einsparungen gemessen, die nie realisiert werden.
Anonymer Kaizen-Coach in einem Transformationsprogramm
Innovation messen: über klassische Finanzkennzahlen hinaus
ROI, Umsatzwirkung, NPV – alle wichtig, aber nicht ausreichend. Wer Innovation nur nach rückblickenden KPIs bewertet, verteilt Ressourcen falsch.
Alternative: Leading Indicators für Return on Innovation (ROIN):
Geschwindigkeit & Qualität validierten Lernens
Stärke der Kundenevidenz aus Tests
Anzahl & Art entkräfteter Annahmen
Transfergrad von Wissen ins Kerngeschäft
Diese messen Fortschritt, nicht Performance – besonders wichtig bei angrenzender und transformativer Innovation. Mehr in diesem Artikel.
Nachfolgend eine vereinfachte Darstellung:

Innovation = strategische Markterkundung
Innovation ist kein Kostenblock, sondern bezahlte Vorausschau. Sie reduziert Unsicherheit, schafft Handlungsoptionen und bereitet auf Umbrüche vor. Aber: Ohne explizite Anerkennung bleibt das unsichtbar im P&L.
Deshalb braucht es eine neue Sichtweise: Innovation ist strategische Business Intelligence – und sollte auch so budgetiert und gemessen werden.
Ein neuer Sozialvertrag für Innovation
Damit Innovation langfristig Wirkung entfalten kann, braucht es eine neue interne Vereinbarung – angepasst an ihre Rolle für die Zukunft des Unternehmens.
Diese umfasst:
Klares strategisches Mandat – ausgerichtet auf zukünftige Fähigkeiten & Märkte
Mehrjährige Finanzierung – losgelöst von Quartalslogiken
Passende Metriken – Kombination aus Leading & Lagging Indicators
Geteilte Verantwortung – Core & Innovationseinheiten tragen gemeinsam Ergebnisse
Ohne dieses neue Verständnis bleibt Innovation abhängig von Budgetzyklen, Politik und ungeeigneten Bewertungsrahmen.
Reflexionsfragen:
Wie ist Innovation bei euch strukturiert – und ist der Auftrag klar?
Wer finanziert – und mit welcher Erwartung?
Welche Frühindikatoren nutzt ihr, bevor finanzielle Resultate sichtbar werden?
P.S.: Folge mir für weitere Impulse
Ich schreibe regelmässig über Innovation, Geschäftsmodelle und echte Lösungen für echte Probleme in meinem Blog. Wenn du an einer Plattform-Idee arbeitest oder strukturiertes Feedback suchst, melde dich gerne.
Du kannst mich für Workshops, Keynotes oder individuelles Sparring buchen – oder einfach meinem Newsletter folgen.
